Emotionen auf der Überholspur: Wie sich Gefühle in unsere Entscheidungsprozesse schleichen

Stellen Sie sich vor, Sie schauen sich einen gruseligen Horrorfilm an – und plötzlich beeinflusst das Ihre finanziellen Entscheidungen! Klingt weit hergeholt? Eine aktuelle Studie von Nikhil Masters, Tim Lloyd und Chris Starmer (2024) zeigt genau das: Unsere Emotionen schleppen sich wie ein unerwünschter Mitfahrer von einer Situation in die nächste und beeinflussen dabei sogar komplexe Entscheidungen.

Die Forscher wollten herausfinden, wie lange Emotionen von einer Situation in eine völlig andere „mitschleppen“ – ein Phänomen, das als emotionaler Carryover-Effekt bekannt ist. Besonders spannend: Sie untersuchten nicht nur gezielt ausgelöste Emotionen (wie Angst durch einen Horrorfilm), sondern auch komplexere, natürliche emotionale Reaktionen, die durch reale Ereignisse entstehen – zum Beispiel die BSE-Krise (Rinderwahn). Die Ergebnisse sind überraschend und liefern wertvolle Einblicke für unseren Alltag.


Was haben die Forscher gemacht?

Die Studie basiert auf einem Experiment mit 186 Studenten der University of Nottingham, die in drei Gruppen eingeteilt wurden:

  • Kontrollgruppe : Sie sahen einen entspannenden Naturfilm über das Great Barrier Reef.
  • Gezielte Emotionsauslösung : Sie schauten eine Szene aus dem Horrorfilm The Shining , um gezielt Angst zu erzeugen.
  • Natürliche Emotionsauslösung : Sie sahen Nachrichtenberichte über die BSE-Krise, die eine Mischung aus Angst, Ekel, Wut und Trauer auslösten.

Nachdem die Teilnehmer die Videos gesehen hatten, mussten sie zwei Lotterien bewerten: eine risikobehaftete und eine mit unbekanntem Risiko (Ambiguität). Das Ziel war es, zu sehen, wie stark ihre emotionalen Reaktionen ihre Entscheidungen beeinflussten.


Was kam dabei heraus?

1. Männer sind die „emotionale Schleppträger“

Die Studie zeigt deutlich, dass nur Männer von emotionalen Carryover-Effekten betroffen sind. Frauen hingegen scheinen immun zu sein. Warum? Die Forscher vermuten, dass Frauen möglicherweise besser darin sind, die Quelle ihrer Emotionen zu identifizieren und diese von ihren Entscheidungen zu trennen (Yip & Côté, 2013 ).

2. Komplexe Emotionen sind stärker

Während der Horrorfilm zwar Angst auslöste, waren die Effekte bei den komplexeren Emotionen der BSE-Gruppe viel stärker. Das bedeutet: Wenn wir in unserem täglichen Leben mit realen, vielschichtigen Ereignissen konfrontiert werden (z. B. Nachrichten über Klimawandel oder Pandemien), können diese unsere Entscheidungen noch stärker beeinflussen als einfache, gezielte Emotionen.

3. Angst ist nicht immer der Übeltäter

Interessanterweise konnte die Studie keinen klaren Zusammenhang zwischen Angst und risikoreichen Entscheidungen finden. Stattdessen war es eine ganz andere Emotion, die ins Spiel kam: „Unaktivierte Positive Emotionen“ – also ein Gefühl von Ruhe und Zufriedenheit. Diese Emotion sank bei Männern nach dem Horrorfilm, was ihre Bereitschaft beeinträchtigte, Risiken einzugehen. Bei der BSE-Gruppe hingegen fanden die Forscher keine klare emotionale Erklärung, was darauf hindeutet, dass komplexe Emotionen schwerer zu messen sind.


Was bedeutet das für unseren Alltag?

1. Finanzielle Entscheidungen

Haben Sie jemals einen stressigen Tag gehabt und dann impulsiv etwas gekauft? Oder nach einer Nachrichtensendung über Krisen plötzlich Angst vor Investitionen bekommen? Diese Studie zeigt, dass unsere Emotionen – ob bewusst oder unbewusst – direkt in unsere finanziellen Entscheidungen einfließen. Besonders Männer sollten vorsichtig sein: Ihre Entscheidungen könnten stärker von vorherigen emotionalen Erlebnissen beeinflusst sein, als sie denken.

2. Konsumverhalten

Emotionen spielen auch beim Kaufverhalten eine große Rolle. Wer nach einem traurigen Film online shoppt, könnte eher zu impulshaften Käufen neigen (Cryder et al., 2008 ). Unternehmen wissen das und nutzen gezielt emotionale Werbung, um uns zu beeinflussen.

3. Gesundheitsentscheidungen

Die Studie hat auch Auswirkungen auf gesundheitsbezogene Entscheidungen. Zum Beispiel könnten Menschen, die durch Nachrichten über Krankheiten verängstigt sind, eher unnötige Medikamente kaufen oder sich zu riskanten Behandlungen hinreißen lassen (Lerner et al., 2003 ).


Praktische Tipps für den Alltag

  1. Reflektieren Sie Ihre Emotionen : Bevor Sie eine wichtige Entscheidung treffen, fragen Sie sich: „Wie fühle ich mich gerade, und woher kommen diese Gefühle?“ Das kann helfen, emotionale Carryover-Effekte zu minimieren.
  2. Vermeiden Sie emotionale Überlastung : Wenn Sie gestresst oder ängstlich sind, verschieben Sie wichtige Entscheidungen auf einen ruhigeren Moment.
  3. Nutzen Sie positive Emotionen : Studien zeigen, dass positive Emotionen wie Freude oder Zufriedenheit zu besseren Entscheidungen führen können (Isen & Patrick, 1983 ). Gönnen Sie sich daher kleine Glücksmomente, bevor Sie Entscheidungen treffen.

Fazit: Emotionen sind raffinierter als gedacht

Die Studie zeigt, dass Emotionen wie unsichtbare Rucksäcke funktionieren – was wir fühlen, schleppen wir mit, oft ohne es zu merken. Besonders Männer sollten vorsichtig sein: Ihre Entscheidungen könnten stärker von vorherigen emotionalen Erlebnissen beeinflusst sein, als sie denken. Aber auch für Frauen gibt es eine Lektion: Selbst wenn wir glauben, rational zu handeln, können Emotionen im Hintergrund lauern.

Also, das nächste Mal, wenn Sie nach einem spannenden Film oder einer Nachrichtensendung eine wichtige Entscheidung treffen müssen, machen Sie eine Pause. Atmen Sie tief durch und fragen Sie sich: „Was schleppen meine Emotionen gerade mit sich?“ Vielleicht retten Sie sich so vor einer unüberlegten Wahl!


Quellen:

  • Masters, N., Lloyd, T., & Starmer, C. (2024). Do emotional carryover effects carry over? Journal of Socio-Economics . https://doi.org/10.1016/j.socec.2024.102312
  • Cryder, C. E., Lerner, J. S., Gross, J. J., & Dahl, R. E. (2008). Misery is not miserly: Sad and self-focused individuals spend more. Psychological Science .
  • Lerner, J. S., Gonzalez, R. M., Small, D. A., & Fischhoff, B. (2003). Effects of fear and anger on perceived risks of terrorism: A national field experiment. Psychological Science .
  • Isen, A. M., & Patrick, R. (1983). The effect of positive feelings on risk taking: When the chips are down. Organizational Behavior & Human Performance .
  • Yip, J. A., & Côté, S. (2013). The emotionally intelligent decision maker: Emotion-understanding ability reduces the effect of incidental anxiety on risk taking. Psychological Science .
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